Büro trotzt Corona, Retail vor Wandel
Retail-Leerstände werden heuer steigen
von Charles Steiner
Während der Bürovermietungsmarkt im herausfordernden Jahr 2020 das Niveau von 2019 mehr oder weniger halten konnte, steht der Einzelhandel vor einem tiefgreifenden Wandel, der sich auch nach der Pandemie durchziehen wird. Das geht aus dem österreichischen Büro- und Einzelhandelsmarktbericht von EHL Gewerbeimmobilien hervor, der heute via Online-PK vor Journalisten präsentiert wurde. Demnach sei zwar mit 210.000 m² neuvermieteter Bürofläche ein Rückgang gegenüber 2019 von nur fünf Prozent verzeichnet worden, allerdings ist das auch zweier Großvermietungen gegen Ende des Vorjahres mit zusammen 65.000 m² geschuldet, so Stefan Wernhart, Chef von EHL Gewerbeimmobilien. Die heurige Fertigstellungsrate mit 105.000 m² werde durch die Nachfrage kompensiert werden, auch aufgrund der starken Vorverwertung. Für das kommende Jahr geht Wernhart von einer Fertigstellungspipeline von 130.000 m² aus. Zwar liefen die Fertigstellungen nach Plan, allerdings gebe es bei einem Projekt mittlerweile eine Verschiebung auf das Jahr 2022 aus. Inwiefern noch weitere Projekte, die für das Ende 2021 avisiert wurden, in das Jahr darauf rutschen könnten, würde sich erst weisen.
Wesentlich dramatischer werde sich die Situation am Einzelhandelsmarkt erweisen. Laut Mario Schwaiger, Leiter Retail bei EHL Gewerbeimmobilien sei durch die drei Lockdowns ein Umsatzrückgang von bis zu neun Milliarden Euro zu verzeichnen gewesen. Vor allem der Fashionbereich habe stark durch die Coronapandemie gelitten, hier werde es zu dramatischen Flächeneinbußen kommen. Aktuell spricht Schwaiger von rund 6.500 Unternehmen, die akut insolvenzgefährdet seien, darunter auch einige Fitnesscenter. Schwaiger geht davon aus, dass rund 30 Prozent die Pandemie nicht überleben würden. Dadurch seien weitere Flächeneinbußen zu erwarten, vor allem in B- und C-Lagen. Schwaiger schätzt eine erhebliche Veränderung der innerstädtischen Struktur ein. Hinzu kommt, dass der Expansionsdrang nationaler wie internationaler Unternehmen deutlich abgenommen habe. Besonders der Fashionbereich steht vor einem dramatischen Flächenrückgang zugunsten der Gastronomie und des Dienstleistungssektors. Dennoch werde es in vielen Fällen nicht unmittelbar zu Nachvermietungen kommen, Kompensationsmöglichkeiten sieht Schwaiger im Lebensmitteleinzelhandel sowie aus dem Gesundheits- und Fitnessbereich. Auch Citylogistik sei durch den Onlinehandel stark nachgefragt, dieser habe im Vorjahr rund 17 Prozent an Umsatz zugelegt.
PropTechs durch Corona mehr als ein Hype
Die Immotrends 2021
von Charles Steiner
Die Coronapandemie hat auch die Immobilienwirtschaft nicht verschont. Durch die Kontakteinschränkungen, bedingt durch mittlerweile drei Lockdowns, haben digitale Tools vor allem bei der Wohnungssuche erheblich an Bedeutung gewonnen, geht aus einer Trendanalyse von willhaben.at hervor. Demnach habe sich zwar der Wohnimmobilienmarkt im Coronajahr als verhältnismäßig krisenfest erwiesen, dennoch kommen auf die Branche neue Herausforderungen hinzu. Und jene Tools, die in Zeiten der Kontaktbeschränkungen behelfsmäßig eingesetzt worden sind, werden auch nach der Pandemie bleiben. Video-Beratungsgespräche, virtuelle Besichtigungen, Live-Videos, Virtual-Reality und digitale Vertragsabwicklungen wurden (gezwungenermaßen) intensiv weiterentwickelt - für den Suchenden wesentlich komfortabler, da man bereits zuhause schon einen wesentlichen Eindruck über die Wunschimmobilie gewinnen könne. Allerdings: Es funktioniert nur, wenn auch die Qualität stimmt und professionell aufbereitetes Material zur Verfügung gestellt wird. Judith Kössner, Head of Immobilien bei willhaben: „In Zeiten von 'Social Distancing' waren diese digitalen Konzepte zwingend notwendig. Dadurch wurde jedoch auch die dazugehörige Akzeptanz am Markt deutlich beschleunigt.“
Vor allem aber trennt sich durch Corona die Spreu vom Weizen: Während viele Unternehmen bis zuletzt beim Phänomen PropTech einfach „dabei sein“ wollten, so sei ihnen jetzt bewusst geworden, dass die Integration von „property technology“ tatsächlich notwendig ist. Das bedeutet jedoch auch, dass nicht mehr in jede x-beliebige Technologie investiert wird. Viel eher werden nun gezielt Investments in Entwicklungen getätigt, die auch wirklich erforderlich seien.
Bei den Wohnungen selbst sind Grünflächen immer mehr in den Mittelpunkt der Suchenden gerückt. "Wir haben während des Lockdowns 2020 einen regelrechten 'Run' auf Freiflächen festgestellt. So haben sich z. B. die Immobiliensuchen mit dem Stichwort 'Garten' zu diesen Zeiten nahezu verdoppelt", so Kössner. Auch würden Wohnungen verstärkt nachgefragt, deren Grundrisse auch ein ungestörtes Homeoffice erlauben, gleichzeitig aber klar definierte Erholungsräume ermöglicht. Und: Man will ins Grüne. Neben dem gut angebundenen Speckgürtel großer Städte werden tendenziell ländlichere Lagen mit passender Infrastruktur attraktiv. Auch die arbeitsbedingten Wohnortwechsel werden zurückgehen, wenn sich Jobs von überall aus erledigen lassen. Das wird in den kommenden Jahren zu neuartigen Entwicklungen am Kauf- und Mietmarkt führen. “Möglich ist, dass vormals wenig attraktive rurale Gegenden eine Aufwertung, ehemalige Wohnhotspots hingegen eine Preissteigerungs-Bremse erfahren", so Kössner.