In Wien droht ein Wohnungsengpass
Angebot geht ab 2024 drastisch bergab
von Stefan Posch
In Wien droht ab 2024 ein Engpass an Wohneinheiten. Das zeigt der Erste Wiener Wohnungsmarkbericht, der heute von der Buwog und EHL Immobilien präsentiert wurde. Demnach haben die schwierigeren Rahmenbedingungen bereits in den letzten Monaten des Jahres 2022 zu einigen Verzögerungen bei Neubauprojekten geführt, weshalb der Anstieg gegenüber 2021 letztlich recht moderat ausfiel. Die verzögerten Fertigstellungen aus 2022 werden heuer schlagend, was dazu führen wird, dass nochmals fast genauso viele Wohnungen auf den Markt kommen werden, jedoch geht es ab 2024 steil bergab und 2025 werden voraussichtlich deutlich weniger als 10.000 Einheiten fertiggestellt. "Wenn nicht dringend daran gearbeitet wird, die Rahmenbedingungen für den Wohnbau zu verbessern, wird es in spätestens zwei Jahren einen beachtlichen Nachfrageüberhang geben", warnt Andreas Holler, Geschäftsführer der Buwog Group. Insbesondere bei den Mietwohnungen wird die Neuproduktion drastisch zurück gehen.
Daniel Riedl, Vorstandsmitglied der Buwog-Mutter Vonovia unterstreicht den Handlungsbedarf für Politik und Verwaltung im Bereich Flächenwidmung, Baugenehmigungen und Bauvorschriften: "In den vergangenen Jahren haben niedrige Zinsen und der große Nachholbedarf dafür gesorgt, dass trotzdem ausreichend Wohnraum geschaffen wurde. Unter den geänderten Rahmenbedingungen mit stark gestiegenen Finanzierungskosten, hohen Baupreisen, schwacher Konjunkturentwicklung und sinkendemverfügbaren Einkommen der Bevölkerung werden die hier bestehenden, letztlich massiv kostentreibenden Schwächen hingegen zu einer echten Wohnbaubremse, die dringend zu lösen ist." Konkret fordert Riedl eine rasche Lockerung der sogenannten KIM-Verordnung.
Was die Preise betrifft erwartet Karina Schunker, Geschäftsführerin von EHL Wohnen, heuer ein unspektakuläres Jahr mit weitgehend unveränderten Kaufpreisen: "Die hohen Errichtungskosten sorgen einerseits dafür, dass es sicher keine Rückgänge bei Kaufpreisen geben wird, die gestiegenen Zinsen und das schwierige wirtschaftliche Umfeld lassen andererseits für den Großteil des Markts aktuell auch keine weiteren Anstiege zu." Für Wohnungssuchende sind Mieten dank der gleichzeig sehr hohen Lohnabschlüsse in der Höhe von durchschnittlich mehr als 7 Prozent real sogar teilweise günstiger geworden.
Den nominell stabilen und real sinkenden Mieten stehen teilweise dramatisch steigende Betriebskosten gegenüber, was dazu führt, dass die Wohnkosten insgesamt weiter steigen. EHL-Geschäftsführer Michael Ehlmaier ortet daher hier den wichtigsten Ansatzpunkt zur Entlastung von Mieter:innen und Wohnungssuchenden: "Die kurzfristigen Hilfen wie Klimabonus, Energiebonus etc. sind wichtig und richtig, aber es müssen dringend auch mittel- und langfristig wirksame Maßnahmen gesetzt werden, die eine strukturelle Verbesserung bewirken. Dazu gehören gesetzliche Änderungen etwa im Mietrechtsgesetz, die die Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen erleichtern, vereinfachte Verfahren und verstärkte Förderungen. Im Vollanwendungsbereich des MRG müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen so weiterentwickelt werden, dass sich die dort besonders wichtigen Investitionen in verbesserte Nachhaltigkeit auch lohnen. Es gibt längst ausgezeichnete Konzepte, bei denen sowohl Mieter:innen als auch Vermieter:innen profitieren. Die Politik muss aber endlich handeln."
Branchenvertreter fordern Transparenz
Einwände bei Bauordnung
von Franz Artner
Die Stadt Wien möchte klimaneutral werden, sie möchte weg vom Gas und leistbaren Wohnraum. Dazu braucht es entsprechende Rahmenbedingungen, die Bauordnung ist ein Instrument, um die Stadt zukunftsfit zu machen. Genau da sehen die Vertreter der Architekten und Ziviltechnikerkammer, des Verbands der Österreichischen Immobilienwirtschaft (ÖVI), die Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (VÖPE) und die Fachgruppe der Immobilien- und Vermögensverwalter der Wirtschaftskammer Wien enormen Handlungsbedarf.
Es gäbe einfach zu viele Widersprüche in den gesetzlichen Bestimmungen rund ums Bauen kritisieren sie in einer gemeinsamen Pressekonferenz. Einerseits sei die Begrünung von Fassaden gewünscht, anderseits werde sie aus Brandschutzgründen abgelehnt. Ähnliches gelte für fassadenintegrierte Photovoltaik. Auch bei der Nutzung von Regenwasser stehen Hürden im Weg. Und die Errichtung von Balkonen, die seit 2014 erklärtes Ziel der Stadtpolitik sei, ist ein Hürdenlauf, der meist darin endet, dass Balkone bei Bauten gestrichen würden, so die Vertreter der Organisationen. "Wir müssen einen Weg finden diese Dinge pragmatisch zu betrachten", fordert ÖVI-Obmann Klaus Wolfinger. Aber, "es besteht die Gefahr, dass wir nicht gehört werden", findet Bernd Sommer, Präsident der zt:Kammer.
Derzeit sei man nicht darüber informiert, welche der von Bauträgern und Architekten eingebrachten Anregungen von der Politik aufgenommen werden, so der Tenor. "Wir fordern mehr Transparenz, das ist State of the Art", betont Evelyn Rudnicki, Vorsitzende der Architekt:innen der zt:Kammer.
Einig sind sich die Vertreter der Interessensvertretungen, dass die Änderung einzelner Paragrafen nicht reicht. Es brauche eine mehrdimensionale Bauordnungs-Novelle. Auch die Stadtplanungsdiskussion müsse mitbetrachtet werden, um die Stadt klimafit zu machen.
Die gegenwärtige Bauordnung sei veraltet, beton Hans Jörg Ulreich von der Fachgruppe Immobilien. Er zweifelt generell an der Reformfähigkeit der Stadt. "Wien betreibt eine Ankündigungs- und Schmähpolitik", so sein Eindruck. Nicht begeistert von der im November über die Bühne gegangenen Enquete zur Bauordnung ist Sebastian Beiglböck vom VÖPE. "Die Enquete brachte Vorschläge für Verbote, aber kaum Anreize", sagt er.
Wie es mit der Novelle konkret weitergeht, wissen die Lobbyisten nicht. Sie hoffen vielmehr darauf, dass die Politik ihre Verantwortung wahrnimmt und am Ende ein großer Wurf herauskommt. "der Klimaschutz fordert Tempo, wir haben keine Zeit mehr", betont Ulreich.