Ein Jahr voller Herausforderungen
Aber Erholung an der Zinsfront erwartet
von Stefan Posch
Das Jahr 2022 war für die Immobilienbranche kein einfaches und auch das kommende Jahr wird durchaus herausfordernd. Michael Ehlmaier, geschäftsführender Gesellschafter der EHL Immobilien Gruppe, sieht ein Jahr "voller Herausforderungen und spannenden Themen", wie er bei der EHL-Jahrespressekonferenz ausführt. Im Investmentbereich herrsche aktuell eine Pattstellung: "Es wird abgewartet. Verkäufer wollen nicht verkaufen, Käufer nicht kaufen. Deswegen tut sich aktuell am Investmentmarkt so wenig, wie in den vergangenen zehn Jahren nicht", so Ehlmaier.
Dabei hat das Jahr 2022 aus Investmentsicht positiv begonnen. "Im ersten Halbjahr war es so, als ob es keine Kreisen gegeben hätte", erklärt Franz Pöltl, geschäftsführender Gesellschafter EHL Investment Consulting. Als es aber mit dem Ukraine-Krieg zu einem Anstieg der Inflation gekommen sei, habe die EZB mit höheren Zinsen reagieren müssen. "Das hat sich auf den Investmentmarkt stark ausgewirkt. Im 2. Halbjahr war deswegen Abwarten angesagt", so Pöltl. Wenn man sich aber das Volumen von rund vier Milliarden Euro anschaut, dann sei das Jahr 2022 ein solides Jahr gewesen. Gefehlt hätten vor allem Flagship-Transaktionen, vieles spielte sich im Jahr 2022 im mittleren Bereich ab.
Pöltl vermutet, dass man bereits im 2. Halbjahr 2023 wieder einen liquideren Markt sehen wird. Zudem sehe man schon bei den langfristigen SWAP-Sätzen, das die Zinsentwicklung im Vergleich zum Höhepunkt im vergangenen Sommer wieder rückläufig ist.
Auch Karina Schunker, Geschäftsführerin EHL Wohnen sah eine positive Entwicklung im 1. Halbjahr 2022: "Die Nachfrage war ungebrochen hoch. Flüchtlinge aus der Ukraine haben für einen Nachfrageschub im Mietwohnungsbereich gesorgt." Die Nachfrage nach Mietobjekte habe auch die KIM-Verordnung befeuert. Viele Investoren hätten sich auch mit dem Thema Inflation auseinandergesetzt und so waren auch weiterhin Vorsorgeimmobilie ein großes Thema. Schunker rechnet aber ab der 2. Hälfte 2023 mit einem markanten Rückgang der Bauleistung. Was die Kaufpreise betrifft sieht Schunker wenig Veränderung. Für das erste Halbjahr prognostiziert sie keine Zuwächse, was sich ab dem zweiten Halbjahr aufgrund der Angebotsverknappung wieder anders darstellen könnte. Aufgrund der Inflation aber auch der Einführung der Bestellerprinzip, dessen Kosten wohl auf die Mieten umgeschlagen werden, rechnet die Wohnexpertin mit einem Anstieg der Mietpreise zwischen 6 und 8,5 Prozent.
Auch im Bürobereich haben die Mieten eine deutliche Tendenz nach oben. Laut Stefan Wernhart, Geschäftsführer EHL Gewerbeimmobilien, liegt das an den gestiegen Baukosten, der Inflation und weil die Neuflächenproduktion stark zurückgegangen ist. Die Leerstandrate befindet sich zudem mit vier Prozent auf ein historisches Tief. "Ganz klar im Fokus steht die Qualitätssteigerung der Büroflächen. Einerseits um die Mitarbeiter halten zu können aber auch, um diese auch zu motivieren wieder in das Büro zurückzukehren", erklärt Wernhart, der zudem ESG-Kriterien im Fokus der Suchenden sieht.
Für den Retail-Bereich war das 2022 erstaunlich stabil. "Das Weihnachtsgeschäft war sehr erfreulich und der Städtetourismus ist voll zurückgekommen", erklärt Alexandra Bauer, Market-Research-Leiterin der EHL. Insbesondere das Luxussegment sei sehr stark im Kommen. "In Top-Lagen gibt es kaum Leerstände. In Nebenlagen hat sich der Einzelhandel teilweise auf Nischenprodukte konzentriert. Generell sind die Top-Einkaufsstraßen sehr gut nachgefragt", erklärt sie. Es gebe auch eine sehr hohe Nachfrage nach Flächen in FMZs aufgrund der fehlenden Neuwidmungen. Zudem würden namhafte internationale Player bereits den Markteintritt in Österreich prüfen.