G17-Summit: Ende des Eigentums
Mieten und wiederverwenden statt kaufen
von Gerhard Rodler aus Hamburg
CO2-Neutralität und Nachhaltigkeit könnten nur umgesetzt werden, wenn dennoch auch der von der breiten Bevölkerung geforderte Mindestkomfort gewährleistet sei, sagte Wissenschaftler Michael Braungart in seinem Eröffnungsstatement beim diesjährigen G17-Gipfel in Hamburg, der heute Nachmittag fortgesetzt wird. Das sei ganz einfach mit einem Paradigmenwechsel möglich: Mieten statt Einkauf, oder „Eigentum als Dienstleistung“. Wenn man künftig pro Waschvorgang (auf Mietbasis) bezahle, anstelle einmal für den Gerätekauf zu bezahlen, würden automatisch wieder langlebige Geräte mit höherwertigeren Komponenten hergestellt, was für sich allein schon eine dramatische Eindämmung der Abfallberge bewirke. Selbst genutztes Eigentum - von der Immobilie über Autos bis hin zu Alltagsgeräten - gehöre damit absehbar der Vergangenheit an. Ein Target, das auch für die Immobilienwirschaft noch einiges an Denkaufgaben ermöglichen wird.
Anna-Vera Deinhammer von der Stadbaudirektion Wien beschrieb hier in Hamburg heute Vormittag den Wiener Weg einer „Smart City“. Die Stadt Wien konzentriere sich auf kleine Strukturen, auf die „Grätzl“. Die Bewohner des jeweiligen Grätzls sollen künftig auch bei neuen Bauvorhaben einbezogen werden, um die Akzeptanz bei den unabwendbaren Baubelästigungen zu erhöhen.
Beim Erhalt der hohen Lebensstandards bleibt es aber nicht. Die Stadt Wien hat für die kommenden Jahrzehnte eine ökologische Evolution vor. Das Konzept der Stadt Wien, ihren Grund und Boden nicht mehr zu verkaufen, sondern als Baurecht auf 20 Jahre - mit Verlängerungsmöglichkeiten - zu vergeben, bringt freilich auch einen Interessenskonflikt zu Tage. Denn im Grunde steht dieses rechtliche Konzept der Idee, möglichst langlebige Gebäude mit einer Lebensdauer von 100 Jahren und mehr zu bauen, diametral entgegen.
Dennoch strebt Wien jetzt genau das an: Nachhaltigkeit am Bau. Dass soll über die Langlebigkeit der Gebäude hinaus gehen. Hauptansatz ist jetzt, ein Maximum an wiederverwertbaren Baustoffen zu nutzen. Bis 2050 sollen 80 Prozent der verwendeten Baustoffe wieder verwendet werden. Die Wiederverwendung soll dann auch schon die bereits errichteten Gebäude bei Refurbishments umfassen. Erste Ansätze dazu gibt es bereits in der Seestadt Aspern, wo wieder abmontierbare Häuser ebenso entstehen bzw. entstanden sind, wie ein Hochhaus aus Holz. Ökologie geht dort aber schon jetzt weit darüber hinaus, schon beim Erdbau wurde auf Ökologie geachtet.
Der G-17 Summit ist eine Initiative von sechs Nachhaltigkeitsorganisationen in Europa, unter ihnen die ÖGNI und Gastgeber DGNB, die sich die internationale Vernetzung zum Ziel gesetzt hat. Dieser Thinktank ist auf 100 Personen begrenzt und soll nach und nach ganz Europa umfassen. Der G-17 Summit 2020 findet in Wien statt.