ESG wird Megathema in der Immobranche
2022 bringt viele Unbekannte
von Gerhard Rodler
Aus der Summe der globalen Anstrengungen zur Vermeidung von CO2-Emissionen entsteht ein Superzyklus, der erhebliche Auswirkungen auf den Immobilienmarkt haben wird. In einer solchen Konstellation werden Assets, die sich den Herausforderungen des Klimawandels stellen und Immobilienmanager, die ihn als Investitionschance statt als Risiko begreifen, am ehesten belohnt werden. Andererseits werden CO2-ineffiziente Gebäude, die mit überholter Technik betrieben werden, sowie Immobilieneigentümer, die diesen Paradigmenwechsel verschlafen, mit schwacher Rendite und Stranded Assets zu kämpfen haben. Das analysiert Nuveen Real Estate beim Ausblick auf das Immobilienjahr 2022.
Für Immobilieninvestoren, die sich an ein "Lower-for-Longer"- Renditeumfeld gewöhnt hatten, zeichnet sich eine ungewissere Zukunft ab. Auch wenn der geldpolitische Wasserhahn nicht über Nacht zugedreht wird, ist angesichts des nach wie vor historisch- und zyklusbedingten Niedrigzinsumfelds mit einer erhöhten Volatilität der Kapitalströme zu rechnen. Zusätzlich zu den Risiken, die sich aus einem bereits verlängerten Immobilienpreiszyklus ergeben, sollten sich Investoren auf Resilienz und strukturelle Vorteile zur Abfederung der Marktvolatilität konzentrieren.
COVID-19 hat in vielerlei Hinsicht einen Wandel eingeleitet und Trends in Hinblick auf unsere Arbeits-, Einkaufs- und Lebensgewohnheiten beschleunigt, die bereits vor der Krise erkennbar waren. Diese Veränderungen werden epochale Folgen für Immobilieninvestoren haben, insbesondere die Perspektive hybrider Arbeitskonzepte, die sowohl die Menge als auch die Verteilung der Büroflächen auf den Kopf stellen werden. Gleichwohl sind Städte keineswegs homogen und weisen große Unterschiede bei den Chancen für nationale und regionale Immobilienmärkte auf. Dabei hängen die jeweiligen Erfolgsaussichten von kulturellen, geografischen und wirtschaftlichen Faktoren ab.
Nuveen rechnet damit, dass sich Renditeunterschiede zwischen einzelnen Objektarten im Jahr 2022 angleichen werden. Mittlerweile hat sich ein Preisniveau bei den Sektoren eingestellt, das dem jeweiligen mittelfristigen Potenzial entspricht. Strukturelle Vorteile spiegeln sich in den niedrigen Cap Rates bei Logistik- und Wohnimmobilien wider, während der Gegenwind für den Einzelhandelssektor nun weitgehend eingepreist ist. Unserer Ansicht nach gehört daher die Strategie, eine überdurchschnittliche Rendite zu erzielen, indem der Sektor mit dem stärksten Nutzerprofil einfach übergewichtet wird, der Vergangenheit an.
Die Folgen des Klimawandels schon viel früher eingetreten sind als von vielen Experten vorhergesagt. Immobilienmanager, Kreditgeber und Versicherer werden daher zunehmend klimabedingte Auswirkungen einpreisen müssen. Dabei werden sie viel früher als ursprünglich geplant auf das Risiko hinweisen müssen, auf Stranded Assets sitzen zu bleiben, wenn die Kosten der Umstellung auf einen klimaneutralen Betrieb zu hoch sind oder wenn sich die physischen Risiken voraussichtlich beschleunigen werden.
Die Welt von morgen steht im Zeichen von drei Trends: Demografie, Technologie und Nachhaltigkeit. Vermieter, die auch zukünftig die Bedürfnisse ihrer Gemeinschaft, ihrer Mieter, Mitarbeiter und Dienstleister im Blick haben, dürften höhere Renditen erzielen. Die wachsende Virtualisierung von Arbeit und Freizeit stellt dabei die nächste große Entwicklung dar, die den Büroalltag abermals verändern, aber auch tiefgreifende Auswirkungen auf viele andere immobilienrelevante Tätigkeiten wie Medizin, Lernen oder sogar menschliche Zusammenkünfte haben könnte. Nicht zuletzt werden erneut jene Immobilieneigentümer von einer größeren Sicherheit und höheren Renditen profitieren, die mit klimaneutralen Geschäftsplänen ausgestattet sind.