Pleitefalle neue Lagezuschläge
Ertragsstarke Zinshäuser rutschen ins Minus:
von Gerhard Rodler
Die neue Lagezuschlagskarte in der Stadt Wien ufert immer mehr zu einer ernst zu nehmenden Bedrohung für Altwiener-Zinshäuser aus: Bislang ertragsbringende Häuser wurden praktisch über Nacht zu einem Verlustgeschäft. Das wird sich letztlich auch für die Mieter nachteilig auswirken, weil dann kein Geld für die Erhaltung mehr da ist.
Markus Leonhard von der Wiener Steuerberatungskanzlei Leitgeb, Leonhard & Partner hat gemeinsam mit dem Immobilienanwalt Daniel Gissenwehrer am Rande eines gestern stattgefundenen Immobilienfrühstücks das Beispiel eines - durchschnittlichen - 1500 m² großen Wiener Zinshauses im 7. Bezirk gebracht, welches mit den alten Lagezuschlägen einen Überschuss von 46.000 Euro erwirtschaftete, mit den neuen Lagezuschlägen aber einen Verlust von 14.500 Euro pro Jahr bringt und damit de facto wertlos ist.
Das Problem dabei: Gehen Mieter zur Schlichtungsstelle, werde auch bei Altmietverträgen die neue Lagezuschlagskarte angewendet, so Manuela Walser, ebenfalls von Leitgeb, Leonhard & Partner. Im Extremfall, wenn dies alle Mieter erfolgreich machen würden, rutsche das Haus in die Verlustzone.
Dazu kommt aktuell ein Streit über den Wert von Gutachten. Eine Pressemeldung der Mietervereinigung Österreichs - speziell die Aussage von MVÖ Mietrechtsexperte Hans Sandrini - stieß bei der Vereinigung der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Immobilienwesen auf Kopfschütteln. So sieht MVÖ-Mietrechtsexperte Hans Sandrini die neue, von der Stadt Wien überarbeitete Lagezuschlagskarte als "eine wichtige Orientierungshilfe in der täglichen Praxis". Zusätzlich meint Sandrini: "Wie jede Lagebewertung durch einen Sachverständigen ist aber auch die Karte nur eine rechtlich unverbindliche Empfehlung. Die Beurteilung, ob eine Lage als (über-)durchschnittlich zu qualifizieren ist, ist eine Rechtsfrage und daher alleine vom Gericht zu lösen". Diesen Aussagen widerspricht der Vorstand der Vereinigung entschieden.
"Wir verstehen schon, dass man von Seiten der Mietervereinigung gerne populistisch formuliert, aber man sollte trotzdem darauf achten, dass die getätigten Aussagen auch ihre Richtigkeit haben" so Kurt Denk, Präsident der Vereinigung. Gemeint ist damit die MVÖ-Formulierung, wonach ein Sachverständigen-Gutachten eine rechtlich unverbindliche Empfehlung darstelle. Denk: "Ein Sachverständigen-Gutachten im gerichtlichen Verfahren ist keine unverbindliche Empfehlung, sondern ein Beweismittel im Sinne der Zivil- bzw. Strafprozessordnung und als solches durch das Gericht im Rahmen seiner Entscheidungsfindung entsprechend zu würdigen. Wäre es eine unverbindliche Empfehlung, dann bräuchten die Gerichte keine Sachverständigen-Gutachten." Da die Ermittlung der konkreten Lagekriterien liegenschaftsbezogen und damit in jedem Einzelfall vorzunehmen ist, kann eine bloße Bezugnahme auf einen bunt hinterlegten Stadtplan von Wien (gemeint ist die Lagezuschlagskarte) niemals die Qualität eines Sachverständigen-Gutachtens im Gerichtsverfahren erfüllen und damit dieses auch nicht ersetzen. Es kann sich nur um eine erste grobe Orientierungshilfe handeln, dessen ungeachtet sind die Kriterien in jedem Einzelfall konkret zu überprüfen.