Dass die seit nunmehr fünf Jahren tobende Syrienkrise Auswirkungen auf Europa hat, dürfte für die meisten evident ...sein. Nicht nur wegen der Flüchtlingsströme und dem in diesen Zusammenhang notwendigen Wohnraum. Vielmehr geht es auch um wirtschaftliche Belange - nämlich, wie man das Land wieder aufbaut, wenn der Krieg einmal beendet ist. Das war auch Thema der Eröffnungsdiskussion im Rahmen der Greet Vienna (Global Real Estate & Economy Talks), die gestern und heute im Palais Niederösterreich in Wien über die Bühne ging.
Unter den Diskutanten fanden sich der Diplomat Wolfgang Petritsch (er ist derzeit Präsident der Austrian Marshall Plan Foundation), Ahmad Andoura, selbst syrischer Flüchtling und zuvor in Syrien Seifenfabrikant, der jetzt versucht, das Unternehmen über Österreich wieder aufzubauen und Alexander Petritz, der nach dem verheerenden Bosnienkrieg in den 1990er Jahren den Aufbau und die technische Kooperation im ehemaligen Kriegsgebiet koordiniert hatte.
Wolfgang Petritsch ging in seinem Anfangsstatment darauf ein, dass es zwischen Europa und Syrien jede Menge wirtschaftliches Potenzial gebe, dieses aber erst ausgeschöpft werden könne, wenn der Konflikt beendet werden kann. Der Marshallplan - in Anlehnung an die milliardenschweren Finanzhilfen aus den USA, die es Österreich und Deutschland ermöglichten, sich nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufzubauen und die Wirtschaft anzukurbeln - soll eine Basis dafür sein. Für Ahmad Andoura - dessen Unternehmen sich vor dem Krieg der Herstellung hochwertiger Seifen widmete - ist die Tatsache, dass er in Österreich Zuflucht gefunden hat, auch von wirtschaftlichem Belang. Andoura könne damit Märkte in Österreich und Deutschland beobachten und die Resultate dann, wenn in seinem Heimatland wieder Frieden ist, für seinen Betrieb, der vor Ausbruch des Kriegs 300 Zweigstellen in ganz Syrien hatte, nutzen.
Alexander Petritz suchte nach einem Vergleich zwischen dem Aufbau nach der Balkankrise und möglichen Schritten, nachdem der Krieg in Syrien beigelegt ist. Sein Resümee: zuallererst gilt es, die humanitäre Hilfe - sprich die Versorgung mit Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung - sicherzustellen. Danach müsse die kommunale Infrastruktur aufgebaut werden. Erst dann könne man über eine Rückkehr von Flüchtlingen nachdenken und schließlich Kooperationen zwischen Gastgeberländern und ehemaligen Krisengebieten eingehen. Das bestätigte auch Wolfgang Petritsch. Noch während der Krise müsse man vor allem junge Flüchtlinge ausbilden und für den Wiederaufbau motivieren und vorbereiten, da besonders Leute mit Know-how zum Aufbau benötigt würden. Dort könne man einerseits mit österreichischem Wissen deren Fähigkeiten erweitern, zudem habe man dann auch die notwendigen Kontakte, um in Friedenszeiten dann auch wirtschaftlich in Kontakt treten zu können. An österreichische Unternehmen richteten die Diskutanten den Appell, die wirtschaftlichen Entwicklungen im Nahen Osten konsequent zu beobachten, um dann im Friedensfall die Potenziale auch ausschöpfen zu können.
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